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Staat entlasten, aber nicht entlassen

Die Wiener Tafel, die "soziale Spedition" , feierte elften Geburtstag und eröffnete ein neues Logistikzentrum. Grund zum Diskutieren, was Corporate Social Responsibility (CSR) leisten kann und was nicht

"Entscheidungen von Wirtschaftsunternehmen werden sich auch weiterhin am Gewinn orientieren und Manager danach gemessen" , sagt Ruth Simsa, Unternehmensberaterin und Professorin am Institut für interdisziplinäre Non-Profit-Forschung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Man dürfe nicht in die Falle tappen, dass soziale und ökologische Themen von Wirtschaftsunternehmen gelöst werden könnten. Wie passen aber die Ansprüche der Wirtschaft und gesellschaftlich verantwortungsvolles Wirken zusammen? Darüber wurde mit Experten am Donnerstag im neuen Logistikzentrum der Wiener Tafel in Simmering diskutiert.

"Wie erfolgreich ein Unternehmen ist, zeigt die Bottom Line. Was in dieser Bilanz steht, wird immer mehr zu einer ,triple bottom line‘" , so Franz Prüller, Programm Director, Erste Stiftung. Und diese Triple wird neben ökonomischer auch ökologische und soziale Bilanz ziehen, ist Prüller überzeugt.

"CSR ist nicht aus einer Tugend, sondern aus einer Not entstanden" , sagt Martin Haiderer, Geschäftsführer der Wiener Tafel. Sie könne nur funktionieren, wenn CSR bewusst als Management-Tool eingesetzt und von allen Mitarbeitern getragen werde. "Der Einfluss der Zivilgesellschaft ist gestiegen, Konsumenten fragen stärker nach. Daher wird Etikettenschwindel schnell durchschaut" , so Haiderer. Ohne Gesetze, Regeln werde es nicht gehen.

Nischenthema

Für Roman Mesicek, Geschäftsführer von Respact Austria, ist CSR nach wie vor ein Nischenthema, "auch wenn eine grundsätzlich positive Einstellung zu dieser Verantwortung in den Unternehmen zu merken sei" . Um die Wirksamkeit zu erhöhen, brauche es laut Mesicek stärkere Treiber, die der Gesetzgeber sein kann. "Mehr Kraft hätten aber die Finanzmärkte" , ergänzt er.

Dass die Regeln der Finanzwirtschaft nicht reichen, habe laut Simsa die Wirtschaftskrise sehr deutlich gemacht, gesetzliche Regeln seien daher dringend erforderlich. Gleichzeitig wünscht sie sich von zivilgesellschaftlichen Organisationen dafür ein kämpferischeres Auftreten. "Durch Kooperationen von Non-Profit-Organisationen und Wirtschaftsunternehmen hat sich bereits eine Dynamik entwickelt, die Dinge verändert hat" , ergänzt Prüller. Die Herausforderung werde sein, dass die Systeme Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Staat stärker ineinandergreifen.

Organisationen wie die Wiener Tafel entlasten den Staat, sie entlassen ihn aber nicht, sagt Hans Mengeringhaus, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Tafeln. Als "social business" sei man kein Bittsteller, die Kommunikation müsse auf gleicher Augenhöhe stattfinden. "Und mittlerweile sehen auch Unternehmen Vorteile in Partnerschaften mit der Wiener Tafel" , sagt Haiderer. Stolz sei die Wiener Tafel auch auf ihre Wirksamkeit. "Immerhin haben wir in den elf Jahren unseres Bestehens 384.000 Kilometer zurückgelegt, die Distanz zwischen Erde und Mond" , ergänzt Haiderer.

(Quelle: DER STANDARD, Print-Ausgabe 11. September 2010)

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