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"Nicht jeder ist ein Wlaschek"

Wer nicht weiß, ob er im Alter ein Go-Go, ein Slow-Go oder ein No-Go ist und nicht zufällig Billa gegründet hat, wird um private Vorsorge nicht herumkommen

"Turne bis zur Urne", könnte das Motto des Pensionisten des 21. Jahrhunderts lauten. Denn wer heute in den Ruhestand geht, ist in der Regel ein rüstiger, vor Tatendrang strotzender, den Freuden der Freizeit huldigender Mensch. "Durch die längere Lebenserwartung wird es das klassische Pensionistendasein nicht mehr geben", sagt Manfred Baumgartl, Vorstandsdirektor der Allianz Versicherung - und untermauert die Phasen der "aktiven Jungen" mit der Einteilung: "Wir sprechen heute von so genannten 'Go-Gos', den 50 bis 70-Jährigen, Menschen, die voll im Leben stehen und noch alles tun, wozu sie sich in der Lage fühlen. Daran schließen die 'Slow-Gos' an, grob gesagt, 70-Jährige bis zu denen am Rand zum Pflegefall." Baumgartl weiter: "Hier ist der Aktionsbedarf schon etwas zurückgeschraubt, Sky-Surfen ist wohl nicht mehr drin." Die letzte Gruppe, die Pflegefälle, werden als 'No-Gos' bezeichnet. Gemeinsam ist den drei Gruppen, dass die Angst, mit steigendem Alter die Selbstbestimmtheit zu verlieren, zunimmt. "Die Horrorvorstellung schlechthin."

(Quelle: derstandard.at, 26.September 2010)

Selbstbestimmtheit definiert sich neben dem gesundheitlichen Zustand auch durch finanzielle Absicherung im Alter. Laut einer aktuellen Gfk-Studie halten nur neun Prozent der Befragten eine private Altersvorsorge für "unwichtig" oder "gänzlich unnötig". 39 Prozent sagten aus, sie sorgten bereits finanziell vor und wollten künftig noch mehr Geld auf die Seite legen. Die Wirtschaftskrise hatte dabei kaum Auswirkungen auf das Anlageverhalten. Fast im Gegenteil: Seit Jahren sei der Trend zu beobachten, dass das Alter für das Vorsorge-Bewusstsein kontinuierlich sinkt. Derzeit liegt es bei knapp unter dreißig Jahren. "Die unbequeme Wahrheit lautet: Wer im Alter mehr möchte, muss bereits früh anfangen zu sparen. Nicht jeder ist ein Wlaschek (Karl Wlaschek, Billa-Gründer, Anm.)."

Laut der von der Allianz in Auftrag gegebenen Studie "Demographic Pulse" wird der Pensionist von morgen seine Pension immer stärker aus unterschiedlichen Quellen beziehen. Tatsache ist, dass wir immer älter werden, aber immer kürzer arbeiten. Folgten im Jahr 1970 statistisch auf 43 Arbeitsjahre nur 15 Jahre Pension, kommen im Jahr 2010 auf 35 Berufsjahre bereits 25 Jahre Ruhestand. Ein teurer Spaß, wenn man so will. Denn die jährlichen Pensionszahlungen betragen stattliche 42 Milliarden Euro, das entspricht 30 Prozent der Staatseinnahmen. Im Grunde handelt es sich dabei um ungedeckte Schecks, die wir unseren Kindern ausstellen - wohlweislich, dass sie platzen werden. Bis zum Jahr 2015 wird der staatliche Zuschussbedarf inklusive Beamtenpension 15,8 Milliarden Euro ausmachen - das sind 4,8 Prozent des heimischen BIP, berechnet der "management club".

Hauptsäulen der Altersvorsorge

Die kapitalgedeckte Altersvorsorge ist mehrfach aufgesplittert: Zum einen in die Lebensversicherer, das Pensionskassensystem und die Vorsorgekassen, die der obligatorische Teil des Vorsorgesystems sind. "Politisch noch unentschieden ist, ob letztere 'Abfertigung' neu oder Altersvorsorge ist. International werden die Vorsorgekassen als Obligatorium verkauft, österreichintern aber als 'Abfertigung neu' - ein systemischer Widerspruch, der unbedingt aufgelöst gehört", so Baumgartl.

Die alternde Gesellschaft und die steigende Staatsverschuldung führen dazu, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge zukünftig eine noch stärkere Rolle spielen wird. So herrscht auch weitgehend Einigkeit darüber, dass eine nachhaltige gesetzliche mit einer starken kapitalgedeckten Altersvorsorge kombiniert werden sollte, um ein ausgewogenes Pensionssystem zu erreichen, in dem die Risiken bestmöglich gestreut werden. "Der globale Trend zur stärkeren Diversifizierung der Altersvorsorgesysteme wird auch Österreich erfassen", resümiert Wolfram Littich, Vorstandsvorsitzender der Allianz Gruppe Österreich aus der Demographic Pulse-Studie. Die Zahlen sprechen für sich: Weltweit wird der Altersvorsorgemarkt bis zum Jahr 2020 um fast zwei Drittel wachsen, so die Studie. Das gesamte Altersvorsorgesystem verzeichne demnach einen Anstieg von derzeit 22 Billionen auf 36 Billionen Euro. Ein Trend, dem sich auch die private Vorsorge nicht entziehen können wird. Europaweit wird im selben Zeitraum mit einem Anstieg auf 14 Billionen von derzeit 8,3 Billionen Euro gerechnet.

Nach den Projektionen der Allianz werden dabei die Altersvorsorgemärkte Mittel- und Osteuropas in den kommenden zehn Jahren jährlich im Schnitt um 15,5 Prozent wachsen, für Westeuropa sieht man einen Anstieg von 4,7 Prozent im Jahr. Österreich habe dabei einen starken Nachholbedarf: "Aktuell liegt die Relation zwischen staatlicher und privater Vorsorge bei 90 zu 10", so Littich. Das jährliche Wachstum dürfte in Österreich bei 7,1 Prozent liegen und wäre somit das stärkste in Westeuropa. Deutlicher gesagt: Der Anteil der privaten Vorsorge wird sich bis 2010 von 81 Milliarden auf 171 Milliarden Euro mehr als verdoppeln.

Baumgartl: "Jetzt jemandem zu sagen, die Zinsen seien zurzeit sehr niedrig, daher Sparen im Moment nicht sinnvoll, ist eine zyklische Idiotie ersten Ranges, mit anderen Worten: eine typische Fehlberatung. Gerade jetzt ist es notwendig, dass man die Sparquoten erhöht. Derzeit gibt es einen Run auf Garantien. Meine persönliche Empfehlung für jene, die die nächsten 40 Jahre sparen wollen, ist dennoch, nicht alles in Garantien anzulegen, sondern nur etwa 75 - 80 Prozent , den Rest würde ich in einen internationalen Aktienfonds stecken, um langfristig drinnen zu bleiben."

10,4 Millionen Lebensversicherungen halten die Österreicher derzeit. Damit ist die Leibrente hierzulande die beliebteste Vorsorgeform. Dass Lebensversicherungen nicht den besten Ruf genießen, kann Baumgartl nicht nachvollziehen. Allein die Zahl der abgeschlossenen Verträge spreche für sich. "Beratung passiert durch Menschen. Und Menschen machen Fehler, die dann breit getreten werden. Über die hunderttausenden Menschen, die hoch zufrieden sind, wird nicht geredet." Und dann gibt es noch die psychologische Seite: "Versicherungen dealen oft mit Schaden, Beispiel Unfallversicherung. Frühere Kulturen haben über Priester den Göttern Opfer dargebracht, um Schicksalsschläge abzuwenden. Diese Priester hat man auch nicht geliebt." (Sigrid Schamall)

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