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Kursraketen als Rohrkrepierer

Lukrativ, transparent, bombensicher: Die kapitalgedeckte Pensionsvorsorge wurde als Alternative zum angeblich altersschwachen staatlichen System verkauft - Doch die Krisenverluste zeigen: Glück spielt eine bedenkliche Rolle

Wien - Zwei nackte Beine, die in karibisch grünem Wasser planschen: Mit diesem Sujet angeln die Uniqa-Versicherung und ihre Tochter FinanceLife nach zahlungskräftigen Pensionisten in spe. Dementsprechend sonnig war der Ausblick des Vertreters, der vor sechs Jahren ein Vorsorgeprodukt an den Mann brachte. Mit sechs Prozent Rendite pro Jahr aufs eingezahlte Kapital dürfe man schon rechnen - höchst vorsichtig kalkuliert, natürlich.

Eine Finanzkrise später entpuppt sich die Kursrakete als Rohrkrepierer. Nach fünf Jahren steht ein satter Verlust zu Buche - nur die vorgeschriebene Kapitalgarantie bewahrt den Anleger vor einem Minus. Zwar fließt nach wie vor eine staatliche Prämie, doch diese allein schlägt sich über 30 Jahre in einer Rendite von lediglich 0,6 Prozent nieder. Geht der Trend so weiter, wäre ein Sparbuch wohl lukrativer.

Das Beispiel ist kein Einzelfall. Im Horrorjahr 2008 haben heimische Vorsorgeprodukte im Schnitt um 15,3 Prozent an Wert eingebüßt - ein scharfer Kontrast zum Hype, als das Modell 2003 eingeführt wurde. Die erste Börsentalfahrt des Jahrtausends war gerade verdaut, das Marktvertrauen noch nicht angeknackst. Das wackelige staatliche System werde einmal nur eine Minirente abwerfen, suggerierten Banker und Versicherer. Die schwarze-blaue Regierung zog eine Pensionsreform mit harten Einschnitten durch, pumpte aber Geld in die private Alternative: Auf jeden Euro, den ein Bürger fürs Alter zur Seite legt, zahlt der Staat seither 8,5 bis 13,5 Prozent pro Jahr an Prämie. Gleichzeitig ist eine Kapitalgarantie Pflicht, damit künftige Pensionisten nach einem Aktiencrash zumindest die eingezahlten Beträge plus Förderung sicher haben. Aber das, versicherten Anbieter, sei eher eine theoretische Bedrohung.

Der aktuelle Zwischenstand erzählt eine andere Wahrheit. Während die Anleger von den fetten Gewinnen in den ersten Jahren wegen hoher Einstiegskosten nur zum Teil profitiert hätten, sagt Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut, seien die Verluste, die nun einen größeren Kapitalstock betrafen, so herb ausgefallen "dass mitunter alle bisherigen Erträge vernichtet wurden".

In anderen Ländern schrumpfte das Kapital noch stärker. Irische Pensionsfonds verloren 2008 im Schnitt gar 37 Prozent - und dort machen kapitalgedeckte Renten ein Drittel der Pensionseinkommen aus. Zwar ziehen die Kurse wieder an. Doch wer das Pech hat, in einem Krisenjahr in Pension zu gehen, verweist Url auf Erfahrungen aus den USA, dem können Einbußen von bis zu 60 Prozent gegenüber Pensionisten blühen, die ein Jahr früher dran waren.

In Österreich, wo nur zwischen 1,9 Prozent (OECD) und zehn Prozent (Wifo) der Pensionseinkommen aus Kapitalanlagen stammen, litten bisher vor allem jene Senioren unter dem Glücksspielfaktor, deren Firmenpensionen in Pensionskassen ausgelagert wurden: Weil das angelegte Geld weniger abwarf, als bei Vertragsabschluss veranschlagt, setzte es Kürzungen von bis zu 40 Prozent gegenüber den zugesagten Leistungen.

Von den 1,5 Millionen privaten Vorsorgern, die der Staat im Vorjahr mit 83 Millionen Euro förderte, bezieht noch keiner eine Pension - dies geht frühestens nach zehn Jahren. Viele wissen aber bereits jetzt, dass sie keinen großen Schnitt machen werden. 14 von 22 angebotenen Fonds wurden nämlich "ausgestoppt": Je größer das Minus an den Börsen, desto mehr Geld mussten Anbieter in Absicherungsgeschäfte stecken, um die Kapitalgarantie zu halten - bis der wirksame Aktienanteil gegen null ging. Anleger haben dadurch zwar die Verluste gefressen, können aber nicht mehr von künftigen Börsenaufschwüngen profitieren. Versprochene Rendite ade.

Keiner der Anbieter hatte seine Kunden vor dem Crash über dieses Risiko informiert. Wie denn auch, fragt Peter Czapek, zuständig für das Veranlagungsgeschäft der Bank Austria: "Der Begriff ,ausgestoppt' hat damals gar nicht existiert. In der Krise sind wir klüger geworden." Auch, weil man möglicherweise Erwartungen geschürt habe, die weit überzogen waren? "Wenn, dann betrifft das nicht nur uns", erwidert Czapek: "Wer mit konservativeren Renditen rechnet, stürzt in den Anlagerankings der Medien gleich ab."

Nicht nur Czapek, der künftig drei bis vier Prozent Jahresrendite für realistisch hält, preist alternative Produkte aus dem eigenen Haus an, die im Gegensatz zu den ausgestoppten Fonds prächtig "performten". Thomas Steiner, Sprecher der S-Versicherung, sagt: "Wir haben beim Hype nicht mitgemacht und sagen das Gleiche wie vor der Krise. Fünf Prozent Rendite pro Jahr sind drin."

Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) bezweifelt das. "Wenn, womit zu rechnen ist, weitere Einbrüche kommen, kann der Anleger die Verluste nie mehr aufholen", meint er: "Nach einem Absturz von 50 Prozent muss man ja 100 Prozent zulegen, um wieder auf gleich zu kommen." Hager kritisiert, dass Kunden von den Anbietern der Zukunftsvorsorge oft keine brauchbaren Auskünfte bekämen. Außerdem seien die Kosten teilweise horrend, wofür Produkte wie das vom Standard unter die Lupe genommene FinanceLife-Modell ein treffendes Beispiel sei: Bei einer Performance von fünf Prozent bleibe nur eine Nettorendite von 2,5 Prozent.

Mit den Einstiegskosten erklärt eine FinanceLife-Kundenbetreuerin denn auch das bislang schlechte Ergebnis. Eine Ausstoppung sei aber nicht passiert und auch nicht möglich. Über die laut VKI entscheidende, wirksame Aktienquote des Produkts war keine eindeutige Info zu erhalten. Eine Dame am Telefon: "Die Quote schwankt. Aber wir kennen sie nicht, das regelt der Fondsmanager."

(Quelle: Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 17.5.2011)

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