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Frauen-Frust über Abschieben in die Pension mit 60

Einige Frauen sind gar nicht froh mir dem niedrigen Regelpensionsalter von 60 Jahren, da sie sich ab dieser Grenze vom Arbeitgeber in den Ruhestand abgeschoben fühlen und länger arbeiten möchten.

Wien. Das ist die eine Seite: Wegen der ab 2011 geplanten Verschärfungen für die Hacklerfrühpension haben viele Österreicher in den vergangenen Tagen und Wochen ihre Pensionsversicherungsanstalt kontaktiert, um sich zu erkundigen, was sie tun müssen, um noch die derzeit günstigeren Regelungen für eine Frühpension nützen zu können. Das ist die andere Seite: Es gibt Frauen – und deren Zahl nimmt offensichtlich zu –, die mit dem niedrigeren Regelpensionsalter von 60 Jahren gar keine Freude haben, weil sie sich ab dieser Grenze vom Arbeitgeber in den Ruhestand abgeschoben fühlen.

Eine Ärztin aus Innsbruck hat sich, wie berichtet, mit Erfolg beim Europäischen Gerichtshof gegen die Zwansgspension gewehrt. Sie steht mit dem Wunsch, länger arbeiten zu dürfen, nicht allein da, wie Einzelfälle, die der „Presse“ vorliegen, illustrieren. Die betroffenen Frauen haben sich um Hilfe an den ÖVP-Seniorenbund gewandt.

Frau S. wird im kommenden Mai 60 Jahre alt. Sie war zuerst Buchhalterin, ging dann mit ihrem Ehemann in die USA, wo sie auch ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen hat. Nach der Rückkehr nach Österreich 1997 war sie wieder Buchhalterin, zuletzt stellvertretende Leiterin der Finanzabteilung.

Weil der Chef im April kommenden Jahres in Pension gehen wird, bewarb sich Frau S. um die Nachfolge. Die Personalabteilung winkt jedoch ab: Die Betriebsvereinbarung sehe vor, dass „mit der Möglichkeit eines Pensionsantritts das Dienstverhältnis endet“. Weil sie im Mai 2011 das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreiche, könne ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden. Ihr ebenfalls 59 Jahre alter Kollege als Abteilungsleiter-Stellvertreter kommt zum Zug.

Im Fall der Innsbrucker Ärztin hat der EuGH die Zwangspensionierung als „verbotene unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ für unzulässig erklärt. Sozialexperten haben betont: Unternehmen müssten eine andere Begründung für die Pensionierung anführen. Kollektivverträge, in denen das Erreichen des niedrigeren Pensionsalters ausdrücklich als Möglichkeit vorgesehen ist, seien zu ändern.

Finanzielle Situation verbessern

Für Frau S. war aber nicht nur die Leitung der Abteilung ein Grund, warum sie länger arbeiten wollte. Weil sie einige Jahre auch als Hausfrau bei ihren Kindern daheimgeblieben ist – einen Kindergarten gab es damals in dem Ort gar nicht –, kommt sie nur auf knapp 20 Pensionsversicherungsjahre. Mit fünf zusätzlichen Arbeitsjahren könnte sie auch ihre finanzielle Situation im Alter verbessern. Noch dazu, wo die Jahre als Abteilungsleiterin die „besten“ Jahre für die Bemessungsgrundlage wären.

Aber es sind nicht nur Frauen in gehobeneren Position, die über die Zwangspension ab 60 – und damit fünf Jahre früher als Männer – verärgert sind. Einer 58-jährigen gelernten Friseurin geht es nicht anders. Nachdem sie nach der Lehre in der Textilbrache arbeitete, später die Mutter bis zu deren Tod pflegte und in einem Supermarkt wieder ins Berufsleben einstieg, kehrte sie vor acht Jahren in ihren ursprünglichen Beruf zurück. Ihr Pech: Der Chef ging heuer selbst in Pension und verkaufte das Geschäft an eine Kette. Zuerst wird die 58-Jährige übernommen. Als sie heuer im November klären will, dass sie nicht mit 60 Jahren ab 2012 pensioniert wird, heißt es, aufgrund von Erfahrungen mit älteren Mitarbeiterinnen sei zu befürchten, dass sie schon bald mit gesundheitlichen Problemen kämpfen werde. Sie solle daher ab 2011 Teilzeit arbeiten und Ende 2012 in Pension gehen. Dabei hat die Friseurin Spaß an der Arbeit und möchte sich ebenfalls die Pensionszeiten noch aufbessern.

Das dritte ähnlich gelagerte Schicksal betrifft eine 59-jährige Frau, eine Akademikerin, die nach der Geburt der Kinder und einer Scheidung einen Vollzeitjob in einem Handelsunternehmen bekam: „Ich musste es schon als Wunder anerkennen, dass mich mit meinen 45 Jahren überhaupt noch jemand anstellt.“

Seither hat sie mehrerer Fortbildungskurse besucht. Im Oktober dieses Jahres folgte die Ernüchterung, weil sie die Mitteilung erhielt, das Unternehmen habe sich wegen des frühestmöglichen Pensionsantritts bei der Pensionsanstalt erkundigt. Das sei 2011 der Fall. Als sich die Frau bei der Personalabteilung erkundigte, wurde ihr erklärt, man sei mit ihrer Arbeit sehr zufrieden, doch würden die internen Bestimmungen vorsehen, dass das Dienstverhältnis spätestens mit dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ende. Frau A. ist frustriert, weil mittlerweile ihr Job ihren Fähigkeiten entspricht und das Gehalt in Ordnung. Die Kinder seien im Ausland: „Was soll ich als Pensionistin allein zu Hause?“

Für die Seniorenbund-Vizechefin und Nationalratsabgeordnete Gertrude Aubauer ist mit dem EuGH-Urteil ein „Durchbruch“ erzielt: Alleine mit der Begründung „Antrittsalter erreicht“ könne man jetzt keine Frau mehr „zwangspensionieren“. Darüber hinaus müsse es jedoch ein generelles Umdenken geben: Unternehmen müssten akzeptieren, dass auch Frauen bis 65 arbeiten wollen, und die Politik müsse ein rascheres Anheben des Frauenpensionsalters, das derzeit erst ab 2024 erhöht wird, diskutieren. Denn, so Aubauer: „Was als Schutz gedacht war, entwickelt sich immer häufiger zur Hürde.“

(Quelle: Die Presse, Print-Ausgabe, 06.12.2010)

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