News

Apokalypse abgeblasen

Düsteren Prognosen zum Trotz ist das staatliche Pensionssystem zu retten

Scharfmacher gegen Schönredner, Rentenräuber gegen Gerontokraten: Der Streit um die (Un-)Sicherheit der staatlichen Pensionen gerät zum Glaubenskrieg. Verteidiger des Systems werden rasch als unverbesserliche Träumer abgestempelt, Skeptiker als fünfte Kolonne der Wallstreet, die sich die Sparbücher der Senioren krallen möchte.

Die heimische Pensionskommission stiftet da nur noch mehr Konfusion. Ihr neuer Bericht prophezeit eine wahre Kostenexplosion, ist aber unter den Experten selbst umstritten. Tatsächlich sind die Annahmen pessimistisch. Noch unter dem Eindruck der Krise haben die Autoren bis 2060 ein Wirtschaftswachstum von lediglich 1,67 Prozent jährlich veranschlagt - aktuellere Prognosen fallen zumindest einmal fürs nächste Jahr hoffnungsvoller aus. Für Normalsterbliche ist es unmöglich, sich ein Urteil zu bilden. Wer kann schon verlässlich die nächsten 50 Jahre voraussagen?

Kaffeesudleserei hilft nicht weiter. Lieber sollten sich Politik und Gesellschaft eine andere Lehre zu Herzen nehmen, die sich ebenfalls aus dem Report ergibt: Der Niedergang des Pensionssystems ist nicht unabwendbar. Es kann viel dagegen getan werden.

Zuallererst müssen die Menschen länger arbeiten. Generation für Generation werden die Österreicher älter, gehen aber nicht später in Pension, weshalb die Zeit im Ruhestand zunimmt. Der schrumpfende Teil der Erwerbsbevölkerung kann die wachsende Last nicht ewig schultern. Die Expertenkommission kommt auch deshalb zu alarmierenden Zahlen, weil sie nur mit einem geringen Anstieg des Pensionsalters rechnet. Doch das ist kein Naturgesetz. In vielen Ländern halten Arbeitnehmer länger im Job durch. Lediglich in Österreich gilt das Unvermeidliche als unzumutbar.

Um dies zu ändern, bedarf es keiner Revolution im System. Es müssen nur bisherige Reformen und das gesetzliche Pensionsalter von 65 (Männer) und 60 (Frauen) endlich ernst genommen werden. Weg also mit zur Regel gewordenen Ausnahmen wie der "Hacklerpension". Arbeitsfähige Senioren sollen sich die Frührente künftig mit Abschlägen erkaufen, dafür aber von besserer Gesundheitsvorsorge und Absicherung im Job profitieren. Altersdiskriminierung ist hierzulande weit verbreitet, die Erwerbsbeteiligung Älterer sehr niedrig. 40 Prozent der Arbeiter, die dann in Invaliditätspension landen, werden abgeschoben, sobald sie ihre Krankheit bekanntgeben. Firmen, die ältere Bedienstete gezielt entsorgen, sollten einen Teil der Folgekosten für die Allgemeinheit aufgeladen bekommen.

Ebenfalls steigen muss die Zahl der berufstätigen Frauen - bessere Kinderbetreuung ist auch eine Lebensversicherung fürs Pensionssystem. Weiters braucht Österreich Zuwanderung. Wer die Grenzen dichtmachen will, soll gefälligst dazusagen, dass die Leute dann bis 70 hackeln müssen.

Rechnet man noch die milliardenschweren Einsparungen ein, die sich langfristig aus bereits auf Schiene gebrachten Reformen der Beamtenpensionen ergeben, dann lassen sich die steigenden Kosten in einem leistbaren Rahmen halten. Die Alternative wäre, auf die Propaganda der privaten Versicherer reinzufallen und die komplette Altersvorsorge den Launen des Kapitalmarkts auszuliefern. Um festzustellen, dass dies auf ein notdürftig abgesichertes Glücksspiel hinausliefe, braucht man keine mühsam berechneten Prognosen. Dazu reichen die Erfahrungen aus diversen Finanzkrisen.

(Quelle: DER STANDARD, Print-Ausgabe 30.09.2010)

Zurück