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Aktive Senioren

"Eines ist unbestritten: Wenn wir so weitermachen, geht es in den Abgrund", weiß sogar der Seniorenbundobmann. Doch was folgt daraus für wen?

"Eines ist unbestritten: wenn wir so weitermachen, geht es in den Abgrund" weiß Seniorenbundobmann Khol. Jetzt, gleichsam 5 vor 12, sagt er es so ungeschminkt wie wir Wissenschafter seit eh und je. Endlich haben auch die Vertreter einer Million Ruheständler im besten Erwerbsalter unter 65 die berufliche Aktivierung mittlerer Jahrgänge als höchst wünschenswert erkannt. Und sie haben, schon aus wohlverstandenem Eigeninteresse, feierlich bekräftigt, dass das faktische rasch an das gesetzliche Pensionsalter herangeführt, Menschen länger in Arbeit gehalten, die Invaliditätspensionen eingedämmt werden müssen.

Seit 2000 haben 75 bis 80 Prozent der Männer den Weg in die Frühpension qua Berufsunfähigkeit beantragt, etwa die Hälfte wurde bewilligt. 60 Prozent der Bauern werden als Invalide frühpensioniert, die Mehrheit der Beamten und Spitzenpensionisten als "Hackler". 90% Pensionsantritt vor 65 bedroht nicht nur die aktiven und nachwachsenden Generationen, sondern heutige Pensionisten selbst.

Doch es wären nicht Khol & Blecha, wenn sie nicht selbst in Existenzfragen Klientelbedienung vor das Staatsganze stellten. Gegen das tatsächlich empörend "ungerechte", unbegreiflich formalistische und selbstbedienende VGH-Erkenntnis 2005, nur Beamte dürften auch in der Frühpension so viel dazu verdienen wie sie wollen, weil "Ruhegenüsse" ja keine "Pensionen", sondern eine (offenbar voll erwerbskompatible) Entgeltform seien, verlangen sie nun die An- oder gar Aufhebung aller Zuverdienstgrenzen. Ein neuer Run in die Frühpension wäre vorprogrammiert.

Wenn wir weiter lange vor dem gesetzlichen Pensionsalter und hoch subventioniert in den Vorruhestand gehen können und als Belohnung dafür auch noch unbegrenzt oder bis zum vorhergehenden Aktiveinkommen dazuverdienen dürften, würde es einen zusätzlichen enormen Zulauf in die Frühpension geben.

Natürlich kann man über faire Teilpensionen mit Teilzeitarbeit reden. Man könnte sofort jede Ruhensbestimmung abschaffen, wenn wir ein versicherungsmathematisch korrektes System hätten. Doch solange der Bundeszuschuss pro PV-Pensionist 3.892 Euro, für jeden Beamten-"Ruhegenuss" über 15.302 Euro jährlich beträgt, ist dies ein verkehrter Anreiz zu weiteren Frühpensionen - und extrem ungerecht gegen Aktive. Bei voller Beitragsdeckung erübrigte sich jede Ruhensbestimmung.

Blecha & Khol wären nicht die nach Neugebauer's GÖD erfolgreichsten Lobbyisten, müsste man sich nach ihren Pressestunden keine Sorgen machen. Etwa ihren "Optimismus" über rasche Einigung über einen Pflegefonds ("wir brauchen natürlich den Pflegefonds"): könnte das nicht ein neues Fass ohne Boden werden, in killing speed abzunicken, dafür aber ohne Ziel und umfassendes neues Pflegekonzept - und ohne wissenschaftliche Begleitung und Evaluation?

Präsident Khol "geniert" sich für die Streichung des Alleinverdienerabsetzbetrages durch die Regierung, der auch gut gestellte Pensionisten mit einem Bagatellbetrag an gesamtgesellschaftlichen Alterslasten beteiligt. Khol & Blecha klagen ohne Genierer beim Verfassungsgerichtshof gegen diese Mindestsolidarität Älterer und für engherziges Beharren auf wohlerworbenen Haltlosversprechen. Dafür wiederum was im Namen der Senioren Gênantes getrieben wird genieren sich anständige Alte wie meine Eltern, die dabei gerne einmal eine Pensionsanpassung verlieren - mit Würde und Wunsch nach Generationenausgleich.

"Aus Hund wird nicht Speck" erinnerte meine Schwiegermutter Gisi und ihr Hausverstand an ein ungarisches Sprichwort.

(Quelle: Bernd Marin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.2.2011)

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